ANDACHT
Ein jeder sammle, so viel er zum Essen braucht, einen Krug voll für jeden nach der Zahl der Leute in seinem Zelte. Und die Israeliten taten’s und sammelten, einer viel, der andere wenig. Aber als man’s nachmaß, hatte der nicht darüber, der viel gesammelt hatte, und der nicht darunter, der wenig gesammelt hatte. Jeder hatte gesammelt, so viel er zum Essen brauchte. (2. Mose 16, 16-18)
Liebe Leserin, lieber Leser,
es ist Erntezeit. Wer einen Garten hat, konnte bereits allerhand Beeren pflücken. Auch auf den Balkonen konnte man Erdbeeren oder Kräuter ernten. Was da ist, wird gepflückt bzw. abgeschnitten. Immer so viel, wie man gerade braucht.
Ganz anders verhält es sich, wenn man mehr vorfindet, als nötig ist. Letztes Jahr in Norwegen beim Blaubeerpflücken habe ich mich dabei ertappt, dass ich gar nicht mehr aufhören konnte zu sammeln. Das war deutlich mehr, als ich gerade brauchte. Und im Urlaub kocht man ja auch keine Marmelade ein.
Der Bibeltext hat mich daran wieder erinnert. Was überkommt einen denn da, dass man anfängt zu sammeln, als gäbe es kein Morgen? Liegt das in unseren Genen, dass wir immer noch Jäger und Sammler sind?
Im Buch Exodus (2. Mose) wird beschrieben, wie die Israeliten in der Wüste Manna sammeln. Es ist genug für alle da und keiner kommt zu kurz. Aber die ganz Schlauen halten sich einen kleinen Vorrat zurück für den nächsten Tag. Klingt vernünftig – war es aber nicht, denn am nächsten Morgen waren die Vorräte verdorben. Mose hatte die Leute gewarnt, nicht über den Tag hinaus zu sammeln und auf Gottes tägliches Brot zu verlassen, aber die wollten mal wieder nicht hören.
Den Drang, zu sammeln, soviel wie möglich, und sich auch noch einen Vorrat anzulegen, den kann ich sehr gut verstehen. Das klingt doch auch vernünftig: Sorge in der Zeit, dann hast du in der Not.
Aber darum geht es für das Volk Israel in der Wüste nicht. Jeder soll so viel bekommen, wie er oder sie braucht, nicht mehr. Es geht um Gottvertrauen und auch darum, sich nicht bereichern zu wollen. Nicht heimlich mehr zu sammeln als der Nachbar. Jeder bekam genug für einen Tag. Es gab keinen Grund, sich Vorräte anzulegen. Trotzdem haben es manche so gemacht. Vorsorge getroffen, man weiß ja nie, was der nächste Tag bringt.
So sind wir Menschen und in den meisten Fällen ist das auch gut so: Ernten und konservieren, für den langen Winter, der bevorsteht. Seit Jahrtausenden machen wir das so.
Bei Gott ist es anders, Gottes Geschenke kann man nicht horten. Darauf gibt es keine Dividenden und keine Zinsen. Gott will, dass wir solidarisch sind, dass alle genug haben und keiner mehr als der andere. Bei den Israelis in der Wüste hat er dafür gesorgt. Haben sie etwas daraus gelernt? Hätten wir etwas daraus gelernt?
So zu leben, dass es allen gutgeht, das fällt uns schwer. Jeder ist sich selbst der Nächste und legt sich erstmal selbst was zurück. Dabei geht es Menschen in den Ländern besser, wo es nicht so große soziale Unterschiede gibt. Wo alle Kinder gleiche Bildungschancen haben, wo jeder die Chance auf ein gutes Leben hat, da fühlen sich die Menschen wohler als in Gesellschaften, in denen der materielle Wohlstand das höchste Gut ist.
Wenn wir versuchen, so zu leben, dass unser Konsum nicht auf Kosten anderer geht, weil wir billig kaufen und schnell wegwerfen, was andere zu Hungerlöhnen zusammengenäht haben und bedenken, was dem Erhalt der Schöpfung dient, dann kommen wir dem näher, was Gott für uns Menschen wünscht.
Es ist Erntezeit und es steht noch viel auf dem Programm: Kürbisse und Zucchini, Kartoffeln, Tomaten, Äpfel, Birnen, Mirabellen und im Herbst die Nüsse und Esskastanien. Die dürfen wir lagern, trocknen, einkochen.
Das Brot des Lebens kann man nicht konservieren.
„Ich bin das Brot des Lebens.“ So sagt Jesus im Johannesevangelium (Joh. 6,35). Jesus und das Wort Gottes sind Nahrung für unsere Seele.
Dass Sie von der Nahrung für den Körper und der Nahrung für die Seele immer genug haben, wünscht Ihnen
Ihre Christine Winterhoff