Andacht zum Sonntag Invokavit, 1.Sonntag der Passionszeit am 21.Februar2021
Wochenspruch: „Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre.“ (1. Johannesbrief 3,8)
Da wir Protestanten den Aschermittwoch als kirchlichen Feiertag eher schlabbern, starten wir mit diesem Sonntag in die Passionszeit, die Fastenzeit. Und jedes Jahr bringt uns der Text des Evangeliums in die beispielgebende Auseinandersetzung mit dem Thema Fasten, nämlich Jesu eigenes Fasten und die Erfahrungen, die er dabei gemacht hat:
Matthäus 4,1-11 Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde. 2 Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. 3 Und der Versucher trat herzu und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden. 4 Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben (5. Mose 8,3): »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.« 5 Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels 6 und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben (Psalm 91,11-12): »Er wird seinen Engeln für dich Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.« 7 Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben (5. Mose 6,16): »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.« 8 Wiederum führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit 9 und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. 10 Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben (5. Mose 6,13): »Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.« 11 Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel herzu und dienten ihm.
Wenn wir Menschen heute fasten, dann entweder, um abzunehmen oder als Heilfasten, um unseren Körper von all dem Dreck zu befreien, den wir sonst so in uns reinschaufeln. Das brauchte Jesus nicht. Er kannte keine Chips, keine Pommes rot-weiß, keine Cola und auch keine Tiefkühlkost mit all den Konservierungsstoffen, Zuckerersatzmitteln und künstlichen Geschmacksverstärkern, an die wir uns so gewöhnt haben, dass wir Entzugserscheinungen kriegen, wenn wir sie weglassen. Er brauchte sicher keine Brigitte-Diät. Sein Fasten war dazu da, dass er mit sich selbst in die Auseinandersetzung ging, etwas über sich erfuhr, was er so noch nicht wusste. Er reduzierte alles, was er zu sich nahm, für 40 Tage und Nächte auf das Notwendige, um am Leben zu bleiben, für sich alleine, zurückgezogen in der Wüste. Und da kann man schon sonderliche „Begegnungen“ haben. Und ihm begegnen die teuflischen Versuchungen, die alle Menschen kennen. Da ist zuerst die schnelle Bedürfnisbefriedigung. Dafür ist er doch schließlich Gottes Sohn, dass er mehr kann als andere. Also wer oder was soll ihn daran hindern, jetzt mal schnell für Brot zu sorgen? Und wenn wir nur daran denken, wie verlockend so eine Tafel Schokolade im Schrank sein kann oder die Tüte Gummibärchen oder das kühle Bier im Kühlschrank, ganz ohne Fastenzeit, dann ahnen wir, wie groß die Versuchung war. Und wenn`s doch niemand sieht? Jesu Antwort hat gleich zwei wichtige Gedanken: 1. Wir Menschen leben nicht nur von Brot. Brot ist Ernährung, Leben ist mehr. 2. Klinkt er sich jetzt aus aus seiner Aufgabe als Mensch unter den Menschen und nimmt doch göttliche Sonderrechte in Anspruch, lässt er uns Menschen im Stich. Auch, wenn es keiner sieht. Es geht nicht um das, was ihm mal nachgewiesen werden könnte, sondern es geht um seine Ehrlichkeit uns gegenüber. Nachdem das überstanden ist, kommt die nächste große Verlockung. Wie wär`s, Gottes Versprechen mal bis zum letzten auszureizen? Mal sehen, ob er Wort hält. Und der Versucher ist raffiniert, er argumentiert mit Zitaten aus der Bibel. Sollte da etwa eine Lüge drinstehen? Auch hier sagt Jesu Antwort mehr als „nur“ die Worte, die auch er aus der Bibel zitiert. Eigentlich weist er darauf hin, dass Gott täglich Erwartungen an uns hat, die wir geflissentlich ignorieren. Und dabei geht es nicht darum, dass wir Naturgesetze außer Kraft setzen sollen wie das der Schwerkraft. Nein, wir sollen „nur“ so einfache Dinge tun wie teilen, Feindschaften überwinden, Gerechtigkeit leben. Da fallen uns tausend Gründe ein, warum das nun gerade leider nicht geht. Und dann glauben wir, Gott in solcher Weise herausfordern zu dürfen, indem wir von ihm verlangen, für uns das Unmögliche möglich zu machen, nur weil wir gerade Lust dazu haben? Es ist nicht einfach nur, dass wir Gott nicht versuchen sollen, nein, es ist auch die Frage, woher wir eigentlich glauben, das Recht zu so einem Ansinnen zu haben. Also, wir sollten nie schneller fahren, als unser Schutzengel fliegen kann, zum Beispiel. Und um es aus den frommen Formulierungen herauszuholen: Wenn wir unser Schicksal herausfordern wollen, dann sollten wir uns sicher sein, dass wir die möglichen Konsequenzen auch tragen wollen. Ansonsten sollten wir es lassen, denn wir werden anschließend niemand anders dafür verantwortlich machen können. Ja, und dann zum Abschluss die Machtfrage total. Das scheint für uns Menschen so verlockend zu sein, dass es auch außerhalb religiöser Zusammenhänge ein Dauerthema ist, denken Sie nur an Goethes Faust: Bin ich bereit, meine Seele zu verkaufen, wenn ich dafür unendliche Macht gewinne. Und dabei geht es um mehr als dieses Beispiel hier, tatsächlich über Menschen und Länder herrschen zu können. Sind wir bereit, uns auf teuflische Bedingungen einzulassen, wenn sie uns die Vorteile verschaffen, die wir so gerne hätten? Den Vorzug vor den Kolleg/innen, die es selbst ja auch nicht anders machen würden; den Triumph über den ewig nervenden Nachbarn, der nie mein Freund wird; das schöne Leben in Wohlstand, auch wenn mir ständig gesagt wird, dass das nur geht, weil andere schlecht leben, die ich ja aber gar nicht kenne. Bin ich bereit, zu meinem eigenen Nutzen das Gute, von dem ich eigentlich überzeugt bin, zu verraten? Ja, warum um Himmels willen, soll ich denn nun ausgerechnet die Welt retten, wenn es die anderen doch auch nicht tun? Ja und Jesus wäre tatsächlich der einzige gewesen, der diese letzte Frage zurecht gestellt hätte. Hat er aber nicht. Denn das war ihm dann klar: Es ist still und ergreifend seine Aufgabe in dieser Welt, hier etwas für die Menschen zu tun, was sie aus eigener Kraft nicht schaffen. Spätestens ab diesem Moment ist ihm das klar, genau dazu war für ihn dieses Fasten gut. Und deshalb können ihn ab jetzt teuflische Versuchungen nicht mehr von seinem Weg abbringen. Und da liegt auch die Beruhigung für uns. Denn wir können fasten, so viel wir wollen, jedes Jahr auf`s Neue, wenn wir es denn tun, wir werden immer in die Strukturen dieser Welt verstrickt bleiben. Da reicht der Besitz eines Smartphones. Denn der Abbau der dafür nötigen Rohstoffe ist dermaßen umweltschädlich und lässt Menschen in Afrika und Südamerika leiden, ohne dass wir wirklich böse sein wollen. Und von solchen Verstrickungen gibt es unendlich viele. Das Wissen, dass wir in kleinen, mühsamen Schritten unser Zusammenleben besser machen können, weil Gott versprochen hat, am Ende alles gut zu machen, soll uns den Mut geben. Das Wissen, dass Jesus seiner Aufgabe nicht ausgewichen ist und uns Menschen in unserer Menschlichkeit nicht im Stich gelassen hat, soll uns die Kraft geben, auch dann auf dem Weg seiner Menschlichkeit zu bleiben, wenn es uns zu viel wird, weil er gezeigt hat, dass es geht. Uns darauf zu besinnen, ist der Sinn der Fastenzeit. Wenn wir dabei abnehmen, was weg kann und loswerden, was ungesund ist, ist das ein guter Nebeneffekt. Invokavit, „er ruft nach mir“, so heißt der Sonntag nach Psalm 91,15, der zu diesem Sonntag gehört. Das bewusst zu tun, mit oder ohne fasten, ist die Chance der Fastenzeit. Gottes Versprechen ist: „Darum will ich ihn erhören.“
Lied 667 Wenn das Brot, das wir teilen
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Vater unser…
Der Segen unseres Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, komme über uns und bleibe bei uns jetzt und immerdar. Amen.
Ich grüße Sie herzlich und wünsche Ihnen nur das Beste,
Ihr Jörg Wolke.